Leseprobe

Vorwort

Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens hat längst die große Öffentlichkeit erreicht. Für die einen ist es eine Utopie, für die anderen eine ernstzunehmende Chance. Es gibt tatsächlich gute Argumente dafür und dagegen. Die Vision eines bedingungslosen Grundein­kommens scheint keine Kompromisse zu kennen. Es gibt keine halben Sachen. Denn beschränkt man die langfristige Einführung auf eine bestimmte Gruppe, dann ist es genaugenommen kein bedingungsloses Grundeinkommen mehr. Genehmigt man es allen und hält den Betrag niedrig, verfehlt es seinen ursprünglich gedachten Zweck der bedingungslosen Existenzsicherung als Menschenrecht und als Recht auf würdevolle Lebensverhältnisse und Selbstverfügung. Entweder man wagt es, oder man wagt es nicht. Alles andere wäre Verfremdung der Grundidee. Das ist das Dilemma bezüglich des bedingungslosen Grundeinkommens.
Es gibt ernstzunehmende Projektversuche und jeder ist gespannt, welche Seite eine größere Bestätigung ihrer Argumente erhält. Die Gegner erhoffen sich damit den Beweis der Unmachbarkeit und Sinnlosigkeit und die Befürworter tasten sich damit an die Verwirklichung heran und erhoffen sich das Aufweichen der Widerstände.
Wenn ich auch einige Gegenargumente durchaus nachvollziehen kann, stehe ich selbst auf der Seite der Befürworter, was im fiktiven Interview unschwer zu erkennen ist.
Mir war es wichtig, einmal die Perspektive zu wechseln und eine Rückschau zu kreieren. Wie würde eine Person auf die Anfangszeit zurückschauen? Wie fühlt sich der Leser und die Leserin, wissend dass zum jetzigen Zeitpunkt etwas noch Vision ist und schon in der Vergangenheitsform erzählt wird?

Das Interview geht bezüglich des Themas bedingungsloses Grund­einkommen nicht in die Tiefe, wie es ein Sachbuch vermag. Das kann und muss es gar nicht leisten. Es sollte den narrativen Charakter nicht verlieren und sich nicht zu sehr in die Länge ziehen. Schließlich wurde eine einundneunzigjährige Frau interviewt.
Mein Anspruch war nicht, möglichst viel Informationen über den derzeitigen Stand des bedingungslosen Grundeinkommens zu vermitteln. Der Perspektivenwechsel war mir das Wesentliche. Vielleicht ermöglicht es dem einen oder der anderen, einmal die jeweilige Position zu verlassen und sich auf die Zukunft einzulassen, in der sich die Gegensätze aufgehoben haben werden und sich eine erfolgreiche Verwirklichung – angepasst an die Gegebenheiten ohne Verfälschung der Grundidee – als Lösung durchgesetzt haben wird.
Veränderungen gibt es immer. Wir spüren aber, dass die Zeit, in der wir gerade leben, mehr ist. Sie ist großangelegter Wandel. Es mag übertrieben sein zu sagen: Sie ist Transformation. Die Menschen werden es im Nachhinein beurteilen können. Aber eines ist klar, solche intensiven Zeiten des Wandels brauchen keine kleinen Anpassungs­leistungen von ansonsten konservativen Strukturen. Diesen Wandel zu gestalten, erfordert meines Erachtens Mut zu neuen Lösungen. Es muss nicht alles über Bord geworfen werden. Es muss aber auch nicht alles gehalten werden, was sich längst überlebt hat oder am Fundament schon wackelt. Gestalten wir nicht den Wandel, gestaltet er uns.
Mit diesem fiktiven Interview möchte ich anregen, über die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens nachzudenken. Sich einzumischen in die Diskussion und das Für und Wider abzuwägen.
Möge es mir mit dem Perspektivenwechsel gelungen sein, bewusster zu machen, dass unsere gesellschaftlichen Strukturen in ferner Vergangen­heit grundlegend anders waren als jetzt und sie in ferner Zukunft grundlegend anders sein werden als jetzt. Können wir uns das wirklich vorstellen, fällt es uns vielleicht nicht so schwer, mit not­wendigen Veränderungen mitzugehen.